Jumat, 12 Maret 2010

Elegie

Trauer

Meine Seele ist traurig …
Warum bist du traurig, meine Seele?
Und sie spricht zu mir:
Vorüber ging ich mit dir
An rauschenden Wassern –
Und die rauschenden Wasser
Umsäumte die Siedlung
Tatfroher Menschen.
Mit der Sonne Emporglühn
Traten hinaus sie
Aus ihrer Hütten
Schmuckloser Enge –
Und tiefeinatmend
Des Morgens Säuselwind
Und des Tages Lichtstrahl
Mit freudvollem Blicke
Emsig begrüßend,
Gingen sie heiter
Und guter Dinge,
Ruhvoll und kraftreich,
An ihr hartes Schaffen,
Das Schweiß und Schwielen
Gebiert, jedoch auch
Helle Gedanken
Und die Frucht des Frohsinns,
Die unvergleichlich.
Und wiederum ging ich
Mit dir hinauf,
Sprach meine Seele,
Zu Bergesgipfeln.
Und ich ward so heiter
Da mich der Höh’nwind
Weidlich durchlüftet!
Wie dehnt’ ich mich doch
Und reckte mich weit
Und sog den Atem
Schrankenloser
Unendlichkeit!
Und allen, die mir
Entgegentraten,
Lachte das Herz
Aus den hellen Augen,
Daß ich ihnen
Sehnsuchtsbeschwingt
Entgegenhüpfte …
Und sie boten
Mir Gruß – und einer
Lud mich zu rasten –
Lud mich zu bleiben:
“Gelt! Es wär’ schön doch,
Blieben wir immer
Und ewig zusammen!”
Aber wieder
Riß ich mich los
Und der Vergangenheit
Schmerzensreichem
Mühenschoß,
Der mich gewirket,
Gab ich mich wieder.
Oh! Unerbittlich
In seiner Zukunft
Ist das Gewesene!
Es fraß sich in mich
Und gebiert sich fort
Und haftet immer!
Nimmer! O nimmer
Lehrt mich des Fischers
Oder des Schiffers
Beengtes Trachten
Grenze und Maß –
Stürmisch Verachten,
Emsig Vergessen
Alles dessen,
Was ich im Grunde doch – nie besaß!
Nimmer! O nimmer
Lehrt der helläugige
Sohn mich der Berge
Frohe Gemeinschaft,
Einträchtige Spur
Mit der Natur …
Den Würzhauch des Wassers
Und den stählenden
Atem des Bergwinds
Muß ich missen …
Ich fühlte zu tief –
Und ich dachte zu viel –
Und all mein Wissen,
Mein himmeldurchstürmendes
Feuriges Fühlen,
Das nie sich genug,
Erfüllt den Fluch,
Den es umschoßt,
Und gibt mir zum Ende –
Zum letzten Ende
Als heiteren Trost
Doch nur ein – bitterhartes Sterbekissen.
Und vorher hat es
Mein Leben vergiftet!
So sprach meine Seele.
Und sie trauerte weiter …
Und nimmermehr forscht’ ich:
Warum bist du so traurig, meine Seele?

Hermann Conradi (1862-1890)

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